Der wohl um das Jahr 1500 gegrabene, 43 Meter tiefe "Venezianer"-Schacht bei Lissenthan/Nabburg, vermutlich ein Versuchs-Schacht zur Silberaufsuchung ist ein bergbau-historisches Denkmal und hochrangiges Geotop zugleich.
Flußspat-Gang in der Firste des Venezianer-Schachtes
Etwa 300 Meter südlich der 1987 stillgelegten Flußspatgrube
Hermine findet sich am Nebelberg südwestlich Lissenthan ein mit Eisen
und Schlägel gehauener und einem ca. 1/2 Meter mächtigen Flußspatgang
folgender Schräg-Schacht. Dieses mittelalterliche Bergwerk wurde im
Jahre 1952 (siehe Zeitungsbericht vom 12.10.1952)
zufällig untertage im Baufeld der Grube Hermine angefahren und dann
eingehend untersucht. Genaugenommen finden sich im Wölsendorfer Flußspatrevier
wenigstens drei historische Bergbau-Anlagen und zwar neben dem Venezianer-Schacht
(mitunter auch "Venetianer" geschrieben) der Agricola-Schacht (nahe
Grube Erna-Anna, heute verfüllt) und die "Zwergenlöcher" am Kulch
bei Schwarzenfeld.
Der Einstieg in den Venezianer-Schacht liegt etwas versteckt auf dem Weg südlich von der stillgelegten Schachtanlage Hermine zur ehemaligen Grube Erika im Wald und ist mit einem tonnenschweren Betonblock verschlossen. Der Grundstückseigentümer, Landwirt Graf aus Lissenthan, mußte den Zugang derart sichern, damit nicht Unbefungte sich selbst immer wieder in Gefahr bringen. |
Über Sinn und Zweck des Schachtes wurde viel nachgedacht, denn
im Mittelalter war sowohl der in den Gängen als Hauptmineral auftretende
Flußspat, wie auch das Begleitmineral Baryt absolut nutzlos (und
an anderen Stellen oberflächlich viel einfacher zu gewinnen). So glaubt
man, daß die Bergleute (möglicherweise waren es tatsächlich
Italiener) hier einem Trugschluß erlegen sind: Im südöstlichen
Revierteil tritt nämlich in den Flußspatgängen reichlich
Bleiglanz auf - und dieser ist silberhaltig. Wo also Flußspat ist,
da muß auch Silber sein. Und genau das war der Fehler, im nörlichen
Revierteil findet sich nämlich fast keine Vererzung.
Die Grubenanlage wurde nach ihrer Entdeckung recht eingehend
untersucht und Karl Weiß nennt dieses Bergwerk eine "bergbauliche
Besonderheit, einmalig in ganz Bayern".
Es fanden sich ganz eindeutige Spuren, dass dieser Schacht mit Schlägel und Eisen in das Gebirge getrieben wurde, sogar einzelne Werkzeugteile konnten in der Grube geborgen werden. Bild links: Die Grubenbaue des Venezianer-Schachtes. Quelle: K.Weiß in der Festschrift der FFW Brudersdorf zum 125jährigen Gründungsfest, 1997. |
Über das Bergwerk selbst, über die Betreiber und über
die Funde findet sich in den Archiven und Überlieferungen leider nichts.
Geologisch gesehen zeigt der Schacht einen ca. 1/2 Meter breiten in der Hauptmasse gelbgrünen bis blaugrünen Flußspatgang, wie er in diesem Revierteil typischerweise ausgeprägt war. Stellenweise sind auch kleinere Gängchen mit violettem Fluorit zu sehen. In der Gangmitte findet sich heller Baryt, Eisenmineralien wie roter Hämatit verleihen dem Ganzen ein recht buntes Bild. Der Venezianer-Schacht ist neben dem Besucherbergwerk Reichhart-Schacht einer der besten und letzten Zeugen dieser hydrothermalen Bildungen, die nicht dem Abbau anheim gefallenen sind. |
Man geht in Fachkreisen davon aus, daß der Venezianer-Schacht
und der nahegelegene Agricola-Schacht etwa zur gleichen Zeit entstanden
sind. Dafür sprechen auch Werkzeug-Funde in den alten Schächten,
die sich gleichen. Vom Agricola-Schacht hat man das Alter eines Rundbaumes
auf etwa 500 Jahre (C14-Methode) untersucht.
Wer nur einmal in gebückter Haltung durch die schmalen Gänge
gegrochen ist kann sich vorstellen, wie groß der Einsatz und die
Arbeit gewesen sein muß, eine solche Bergwerksanlage mit einfachsten
Mitteln in das harte Gestein zu treiben.
Der Venezianer-Schacht ist nicht als Besucher-Bergwerk ausgebaut und
normalerweise auch nicht zu besichtigen. Eine Befahrung auf schmalen rostigen
Eisenleitern und in größerer Tiefe über riesenhafte Stufen
führt in aller Regel auch bei guter Verfassung zu einem Muskelkater,
ist nicht ganz ungefährlich, aber natürlich absolut sehenswert.
Erstaunlicherweise ist das Bergwerk - abgesehen von der Bergfeuchte - trocken,
hätte man hier einen Brunnen graben wollen, es wäre aussichtslos
gewesen.
Der Autor dankt an dieser Stelle den Besitzer für die Möglichkeit zur Einfahrt am 2.6.2001, wo auch diese Bilder angefertigt wurden. |
Literatur:
|
|