Das kontinentale
Tiefbohrprojekt
Windischeschenbach
von Berthold Weber, Weiden
Mit der größten Landbohranlage der Welt wurde bei
Windischeschenbach
nördlich Weiden die Kontaktzone zweier großer
Kontinentalschollen
erbohrt. Vielfältigste Untersuchungen wurden durch die ab
September
1987 bis April 1989 niedergebrachte Vorbohrung (4000,1 m)
und
die 200 m entfernte Hauptbohrung vom 6. Oktober 1990 bis 12. Oktober
1994
(9101 m) ermöglicht, die KTB war das erste deutsche
Großprojekt
der geowissenschaftlichen Grundlagenforschung.
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Der 83 Meter hohe Bohrturm der
größten Landbohranlage
der Welt war auch EXPO-2000-Projekt. Die Verantwortlichen der
Region
haben dieses Forschungsdenkmal in seiner mächtigen Form erhalten.
Angegliedert und unbedingt einen Besuch wert ist das Geo-Zentrum
(modernes
Bildungs- und Info-Zentrum) am Bohrturm. Derzeit ist das Bohrloch das
"tiefste
(zugängliche) Loch" der Welt.
Aus dem KTB-Projekt ging 1996 das ICDP
(International
Continental Drilling Program) hervor, es bildet das landbezogene
Analogon
zum Tiefseebohrprogramm IODP (Ocean Drilling Program).
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Die Lokalität kann man heute als Forschungsdenkmal bezeichnen.
Zahlreiche Wissenschaftler haben inzwischen in mehreren tausend
Veröffentlichungen
(!) Ergebnisse publiziert. Es ist also unmöglich das alles in
wenigen
Zeilen wiederzugeben, Fachleute mögen mir grobe
Vereinfachungen
und die Wortwahl verzeihen. Warum gerade die Wahl auf
Windischeschenbach
gefallen ist, ist etwas einfacher zu beantworten:
- Hier verläuft die Nahtstelle zwischen dem Moldanubikum
(Ur-Afrika)
und
dem Saxothuringikum (Ur-Europa) und die Kollision dieser
Kontinentalplatten
vor 320 Millionen Jahren, die ein riesiges Gebirge aufgeworfen hat,
wollte
man untersuchen
- Der "Erbendorf-Körper", eine für seismische Wellen
hochreflektive
Schicht unbekannter Art sollte angebohrt werden
- Eine höhere Erdanziehung wurde in diesem Raum gemessen, die
Ursache
war nicht bekannt
- Eine höhere elektrische Leitfähigkeit und ein
stärkeres
Erdmagnetfeld an diesem Ort waren ebenfalls ausschlaggebende
Fragestellungen
- Bei ähnlicher geologischer Gegebenheit wurde noch nirgendwo
tiefer
gebohrt.
- Seismische Untersuchungen zeigten eine bis an die Oberfläche
reichende Störung, die man in ca. 7 km durchteufen und untersuchen
wollte
- Der aus geologischer Sicht alternative Standort (Schwarzwald)
hätte (da dort höhere Temperaturen im Gestein) keine so
große Tiefe ermöglicht.
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Der 83 Meter hohe
Bohrturm ist absolut imposant. Im Rahmen von Turmführungen werden
in einem Raum auf der ersten Plattform Videos über die Bohrung und
Bohrtechnik (mit Beamer) gezeigt. Schon von dieser Höhe aus hat
man einen guten Ausblick ins Land.
<Das Bild links
bitte für Vergrößerung anklicken>
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Die Bohrung selbst stellte die Technik vor noch nie dagewesene
Aufgaben:
Bei Temperaturen bis 300° C, bei einem Druck der dem von 30000 auf
einen qm gestellten VW-Golf entspricht mußte man in steil
gefalteten
harten Gesteinsschichten, von zahlreichen brüchigen Störungen
durchzogen, möglichst senkrecht bohren. Mehrfach kam es zu
Problemen,
die die Bohrung zum Stillstand brachten, auch konnte wegen der
unerwartet
höheren Temperatur die zunächst gewünschte Zieltiefe von
10-14 km nicht ganz erreicht werden (man erwartete diese Temperaturen
erst
in 12-14 km Tiefe). Zweifelsohne stellt diese Tiefbohrung eine der
größten
technischen Meisterleistungen überhaupt dar.
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Das Bild links zeigten
einen Auschnitt einer geöffneten Bohrlochsonde. Solche Sonden
waren mit modernster Elektronik vollgestopfte Sonderanfertigungen und
mussten extremen Temperatur- und Druckbedingungen gewachsen sein.
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Einige, wenige Beispiele (und Resultate) aus dem
Forschungs-Betrieb:
- Mit einem an der TU Braunschweig neu entwickelten
"Dreiachs-Hochtemperaturbohrlochmagnetometer",
einem
Gerät, das in einer unmagnetischen Titanlegierung untergebracht,
2800
bar Druck standhalten, durch Dewargefäß und
Latenwärmesenken
den Einsatz bis 300 Grad ermöglicht, wurde das Magnetfeld im
Bohrloch
ultragenau (auf 1/2 Millionstel des Erdmagentfelds !) vermessen,
für
sich gesehen schon eine technische und erfinderische Rekordleistung.
Man
fand übrigens -neben mehreren magnetischen Störkörpern-
eine unerwartete Zunahme des Magnetfeldes mit der Tiefe,
wiedersprüchlich
zur bisherigen Lehrmeinung, wonach die Anomalien in den oberen 3 km
begründet
wären.
- Mit einem eigens von der Industrie (mit den Unis Kiel,
Wyoming/USA,
Wuhan/China,
München, Karlsruhe und dem GFZ Potsdam) entwickelten und
eingesetztem
Hochtemperatur-Bohrlochgeophon wurde die Natur der seismischen
Reflektoren
im Kristallinen und die Struktur der seismischen
Geschwindigkeitsverteilung
untersucht. Dazu fuhr eine "Vibro-Truck"-Gruppe (LKW's, die in einigen
km Entfernung Erschütterungen produzierten) durch die Gegend,
deren
Signale im Bohrloch gemessen wurde, zudem wurden zahlreiche kleine
Sprengungen
durchgeführt. Die Untersuchungen, die bis ins Jahr 2000 angedauert
haben, haben viel neues Wissen gebracht, nicht nur für das lokale
geologische Bild hat sich gewandelt, auch zum Auffinden neuer
Lagerstätten
und zur Erdbebenforschung kann diese Erfahrung nun eingesetzt werden.
- Zwar hat man den "Erbendorf-Körper", eine eigenartige
Schicht, die
seismische Wellen stark reflektiert (aber auch sehr gut leitet), nicht
anbohren können (etwa 2000 Meter unterhalb der Endteufe der KTB)
doch
überraschten viele tektonische Resultate.
- Die rheologischen (zähflüssigen) Eigenschaften der
Erdkruste,
die für die Erdbeben verantwortlich gemacht werden, konnten
experimentell
untersucht werden. Dazu wurde Wasser in großer Tiefe in das
Gestein
eingepresst, so hat man Mikro-Erdbeben ausgelöst, deren seismische
Auswirkung Gegenstand eingehender Untersuchungen waren. Durch die KTB
wurden
auch die Grundlagen für die wirtschaftliche Nutzung der
Erdwärme
mit Hilfe von Tiefbohrungen erforscht.
- Zur Untrersuchung von Bohrkernen wurde von den Universitäten
Leipzig und München ein neues Verfahren entwickelt: Die
petroelektrische
Tomographie. Mit dieser Variante der elektrischen
Wiederstandstomographie für zylindrische Körper kann die
räumliche Verteilung des elektrischen Wiederstandes in Bohrkernen
bestimmt und sichtbar gemacht werden. Das Verfahren wird jetzt
erfolgreich auch in ganz anderen Bereichen verwendet, beispielsweise
zur Untersuchung des Gesundheitszustandes von Bäumen
(Baumtomographie).
- In über 100 Einzelprojekten wurde interdisziplinär die
in
Windischeschenbach
erbohrten Gesteine, Flüssigkeiten und Gase von rund 300
Wissenschaftlern
untersucht. So konnten viele Fragen zu den chemischen und
physikalischen
Zustandsbedingungen und den Vorgängen in der tieferen kristallinen
Erdkruste geklärt werden.
- Die Temperatur im Bohrloch wurde sehr genau vermessen. Entgegen
der
ursprünglichen
Annahmen - die wohl die noch immer nachwirkende eiszeitliche
Abkühlung oder/und den tertiären Basaltvulkanismus nicht
(hinreichend)
berücksichtigt
hatte - war die Temperaturzunahme mit der Tiefe deutlich
größer.
So haben wir heute viel genauere Vorstellungen über die
Temperturverteilung
in der oberen Erdkruste (in der Endtiefe der Bohrung wurden 265 °C
gemessen).
- Die elektrischen Anomalien konnten in erster Linie auf
Graphitbahnen und auf
Klüfte
mit salzhaltigen Wässern zurückgeführt werden.
- Die im Gestein vorhandenen Flüssigkeiten und Gase
überraschten
in ihrer Zusammensetzung und Menge. Hier konnte man Einblicke in
hydrothermale
Vorgänge, wie sie bei der Entstehung von Erz- und
Minerallagerstätten
vermutet werden, gewinnen. Überhaupt war die große
Durchlässigkeit
(Permeabilität für Wässer und Gase), auch in
großer
Tiefe, absolut unerwartet. Schon in der Vorbohrung konnten
Luftdruck-Schwankungen,
größere Erdbeben und die Gezeiten anhand der Schwankungen
des
Flüssigkeitsspiegels beobachtet werden.
- Es überraschte, dass selbst in großer Tiefe die
Gesteinspakete noch so extrem steil stehen. Aufgrund der horizontalen
Überschiebung hätte man mit flacher liegenden Schichten
gerechnet.
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Das Bohrloch der Hauptbohrung (unterhalb
des Bohrturms)
ist (Foto: 5/2003) mit einem kleinen "Preventer" abgedeckelt. Es laufen
seismische Langzeitmessungen, wobei man mit Hilfe der Vorbohrung das
Gebirge
entwässert (das über 200 Millionen Jahre alte Ur-Wasser wird
abgepumpt und in die Naab geleitet), dadurch "Mini-Erdbeben"
auslöst
und diese wiederum in der Hauptbohrung mit neuen, sehr empfindlichen
Geräten
misst. Heute (2009) ist das Bohrloch immer noch offen (bis ca. 908x
Meter) und wird weiterhin für wissenschaftliche Untersuchungen
genutzt.
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Übrigens findet alljährlich am Geozentrum in
Windischeschenbach
eine Mineralienbörse statt, in der die
heimischen
Schätze nicht nur gezeigt werden, sondern auch erworben werden
können.
Seit geraumer Zeit befindet sich im Geozentrum ein geotechnisches Labor
zur Lehrerfortbildung und als außerschulischer Lehrort. Unter
pädagogischer Anleitung können z.B. Schüler Bodenproben
analysieren oder Geländeuntersuchungen mit Hammerschlag-Seismik
durchführen.
Das Geozentrum an der KTB war Geschäftsstelle (main
coordination center) des mit einer gemeinsamen Erklärung am
25.Juli 2003 gegründeten internationalen Bayerisch-Böhmischen
Geoparks (heute ist die Geschäftsstelle in Parkstein).
Kontakt:
- GEO-Zentrum an der KTB, Am Bohrturm 2, 92670
Windischeschenbach, Tel.: (0 96 81) 4 00 43-0, mail: info@geozentrum-ktb.de
- Projektleiter des Geozentrums ist (seit 2/2008) Dr. Frank
Holzförster
Literatur / Links: